Bürgerhaus Friedrichsfeld
1995 – 2020
Am 6. Juli 1995 konnte das Bürgerhaus Friedrichsfeld seiner Bestimmung übergeben werden. Bereits zwei Jahre zuvor hatte sich der Förderverein zur Errichtung des Hauses gegründet. Das Ziel war der Nachbau einer Soldaten-Wohnbaracke des ehemaligen Truppenlagers Friedrichsfeld. Ausgelöst worden war die Aktion durch den Umstand, dass einige Jahre zuvor im ehemaligen Lagerbereich das letzte der mehr als 100 Jahre alten im September 1870 errichteten Gebäude abgerissen und durch moderne Wohnungen ersetzt worden war. Mit dem Nachbau sollte die Erinnerung an das alte Militärwohnlager lebendig bleiben. Ein schwieriger Teil der Geschichte Friedrichsfelds hatte sich über Jahrzehnte in seinen Mauern abgespielt. In der Zeit von 1870 bis 1920 waren es die preußischen Soldaten mit ihren Geschützen und ihrem Kanonendonner, die das Geschehen im Umfeld des Lagers und auf seinem Truppenübungsplatz, der Spellener Heide, beherrschten. Die wenigen zivilen Bewohner des damaligen Ortsteils Emmelsum der Gemeinde Spellen machten das Beste daraus. Sie boten dem Militär vielfältige Dienste an und gründeten Gastwirtschaften und Geschäfte aller Art. Dieses wohl geordnete Leben endete abrupt mit dem Ende des Ersten Weltkrieges, mit der damit verbundenen Demobilisierung des Kaiserlichen Heeres und der Schließung des Militärstandortes Friedrichsfeld.
1920 war das Lager in den Wirren des Spartakus-Aufstandes geplündert und dann geräumt worden. Bald fand sich eine zivile Nutzung für die ehemaligen Militärbaracken. Obwohl bereits 50 Jahre alt, von einfacher Bauart und nur für die spartanische Wohnweise von Soldaten konzipiert, mussten sie zu dieser Zeit – so wie viele andere leer stehende Militärimmobilien im Deutschen Reich – Flüchtlinge und Vertriebene beherbergen. Aus den aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertragswerks abzutretenden deutschen Gebieten waren sie – oft in großen Familienverbänden und in der Regel mittellos – im kleiner gewordenen Deutschland angekommen. Obwohl zu Beginn der Einweisung nur als vorübergehende Notunterkunft gedacht, wurden die Friedrichsfelder Baracken im Laufe der kommenden Jahre zur ausweglosen neuen Heimstätte. Die vorgesehenen Ersatzbauten blieben wegen der Finanznot auf Einzelmaßnahmen beschränkt. Die heutige „Wohnbau Dinslaken“, seit 1921 Eigentümerin der gesamten Militärhinterlassenschaft, hatte verzweifelt versucht, den Menschen zu helfen. Letztlich ließen die Not, das Elend und die Arbeitslosigkeit der Jahre bis zum Zweiten Weltkrieg eine Generation heranwachsen, die ihr persönliches Schicksal im Laufe der Jahre als normal empfand, ein Leben, in dem man sich nur als die Gemeinschaft der „Lagerkinder“ durchsetzen konnte. Am Ende des Zweiten Weltkrieges fiel zwar ein Teil der Baracken den Bomben zu Opfer, aber die inzwischen völlig maroden noch erhalten gebliebenen mussten weiter für Wohnzwecke herhalten.
Erst die Einführung der DM im Zuge der Währungsreform 1948 und das damit einsetzende „Wirtschaftswunder“ schafften Abhilfe. Die Expansion der Babcockwerke Friedrichsfeld, der Bau der BP „Ruhrraffinerie“ in Bucholtwelmen und der damit verbundene Zuzug von Mitarbeitern machten weiteren Wohnungsbau erforderlich. Im Ortskern Friedrichsfeld ließ die Wohnbau Dinslaken die alten Baracken Zug um Zug abbrechen und moderne Wohngebäude errichten. Die inzwischen erwachsen gewordenen Friedrichsfelder Lagerkinder waren froh und glücklich, die alten Baracken vergessen zu können. Die bis dahin und im nachhinein als heimelig empfundene enge Schicksalsgemeinschaft der Betroffenen löste sich zwar unmerklich auf, aber die Verbesserung der Lebensumstände für die meisten dieser Menschen, die sichere Arbeitsstelle und das Eigenheim oder die moderne Wohnung waren der willkommene Ausgleich.
Schon bald nachdem die Gebäude des alten Militärlagers restlos beseitigt waren, kamen die ersten nostalgischen Gefühle und Erinnerungen auf. Ganz vage dabei wohl auch die Idee, dass man als Erinnerung an die alten Zeiten eine der Baracken hätte bewahren können.
Ein Friedrichsfelder der geschilderten Erlebnisgeneration fasste sich ein Herz und versuchte eine Lösung zu finden. Der Vorschlag von Karl Göllmann, eine der Baracken nachzubauen, fand Anfang der 1990-er Jahre sofort die Unterstützung des damaligen Voerder Bürgermeisters Helmut Pakulat. Beide waren sie ja Kinder dieser Zeit gewesen. Die folgende Spendenaktion stieß auf starken Zuspruch und war so erfolgreich, dass mit diesem finanziellen Grundstock die Planung des Nachbaus einer ehemaligen Leutnantsbaracke des alten Militärlagers beginnen konnte. Der „Förderverein Bürgerhaus Friedrichsfeld“ wurde im August 1993 gegründet und eine überaus erfolgreiche Mitgliederwerbung startete. Dem Antrag des Vereins auf Bereitstellung eines Grundstücks an historischer Stelle stimmte der Stadtrat am 12. April 1994 einstimmig zu. Am Tag darauf hatten Vereinsmitglieder bereits das Bauschild mit der Ankündigung der Errichtung des Bürgerhauses aufgestellt. Der größtenteils in Eigenleistung durchgeführte Bau begann umgehend. Die Namen der vielen Helfer, Unterstützer und Spender würden den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Unter großem Zuspruch der Bürgerschaft konnte zwei Monate später, am 24. Juni 1994 der Grundstein gelegt und am 30. August 1994 das Richtfest begangen werden. Der abschließende Höhepunkt wurde mit der Einweihung des fertigen Hauses am 6. Juli 1995 erreicht.
In der Urkunde des Grundsteins ist die Errichtung des Bürgerhauses begründet:
„Von den Gebäuden im Zentrum des Militärlagers Friedrichsfeld, der Keimzelle unseres Ortes, haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und der Wiederaufbau in den Jahren danach nichts bestehen lassen; die Erinnerungen an das soldatische Leben seit der Regierungszeit Friedrich II. von Preußen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges im November 1918 und die Erlebnisse der Generation der Vertriebenen und Flüchtlinge in der Not der Folgejahre sind inzwischen Geschichte geworden. Die Errichtung des Bürgerhauses soll als Symbol selbstlosen Einsatzes für die Gemeinschaft dazu beitragen, das Bewusstsein für die schicksalhaften Ereignisse in unserem Ort wach zuhalten und in eine friedvolle Zukunft hineinzutragen.“
In den 25 Jahren seines Bestehens hat das Bürgerhaus seinen Zweck erfüllt und ist zu einem festen Bestandteil unseres Heimatortes Friedrichsfeld geworden.